Antrag der Fraktion FW/UWG zur Sitzung des Kreistags am 21.06.2021:
Der Kreisausschuss wird beauftragt, sich bei der Hessischen Landesregierung und dem Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) dafür einzusetzen, dass die in den Schulen u.a. im Rahmen des Homeschooling während der Corona-Pandemie entwickelten und eingesetzten technischen Lösungen (z.B. Videokonferenzsysteme, Kooperations- und Präsentationstools) so lange geduldet werden, bis eine einheitliche staatliche Lernplattform seitens des Landes Hessen mit einem stabilen Betrieb und vergleichbaren Funktionen entwickelt, einsatzfähig gemacht, erprobt und allen Schulen in Hessen zur Verfügung gestellt worden ist, die von Lernenden und Lehrenden weitgehend akzeptiert wird.
Der Kreisausschuss wird gebeten, darzulegen, wie er dazu beitragen will, die Schulen innerhalb der nächsten Jahre mit der notwendigen digitalen Infrastruktur und Bandbreite zu versorgen, damit ein Distanzunterricht für gesamte Klassenstärken und ganze Schulen möglich wird.
Begründung:
Die Corona-Pandemie hat zu großen Veränderungen des Lern- und Lehralltages an den Schulen in Deutschland geführt. Dabei wurde deutlich, dass die digitale Infrastruktur der Schulen nicht angemessen entwickelt und ausgebaut ist, um einen stabilen und flächendeckenden Distanzunterricht zu gewährleisten. So ist nicht nur die fehlende Ausstattung der Lernenden und Lehrenden mit Endgeräten ein großes Hindernis für die Modernisierung und Digitalisierung des Unterrichts, sondern auch die Tatsache, dass die Schulen in aller Regel nicht über eine ausreichende Bandbreite verfügen (Breitbandausbau), um Distanzunterricht für alle Lernenden gleichzeitig realisieren zu können.
Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen haben es die Schulen im Landkreis Darmstadt-Dieburg aufgrund des großen Engagements von Lehrenden und Schulleitungen geschafft, den vorgeschriebenen Distanzunterricht zu verwirklichen und zum Wohle der Schülerinnen und Schüler durchzuführen, indem sie verschiedene technische Lösungen für Videokonferenzen und Kooperationslösungen (u.a. Big Blue Button, Zoom, Webex und Microsoft Teams) implementiert haben. Sowohl Lehrende als auch Lernende und deren Eltern haben sich in die gewählten Systeme eingearbeitet und sind jetzt in deren Anwendung geübt, sodass sie bei Bedarf sofort wieder in Betrieb genommen werden können.
Bedauerlicherweise konnte den Schulen vom Land Hessen keine einheitliche und leistungsfähige Lernplattform flächendeckend zur Verfügung gestellt werden, da es den derzeit angebotenen Systemen an Stabilität und Skalierungsoptionen (Einsatz bei sehr vielen Nutzern) fehlt. Die Wahl privatwirtschaftlicher, vor allem amerikanischer Anbieter durch einige Schulen war damit unvermeidlich, um den Unterricht per Internet in der Not zu ermöglichen. Das Ziel, einen funktionierenden Distanzunterricht zu ermöglichen, wurde auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Anbieter höher bewertet als das Problem des oft nur niedrigen Datenschutzniveaus der gewählten Lösungen. Diese Erkenntnis war auch Grundlage der bisherigen Duldung des Einsatzes von z.B. Microsoft Teams durch das Hessische Kultusministerium und den damaligen HBDI.
Wenn diese Duldung jetzt durch den neuen HBDI aber – wie angekündigt – zum 31.07.2021 nicht verlängert wird, so stürzt das eine große Zahl von Schulen nicht nur im Landkreis Darmstadt-Dieburg in große Schwierigkeiten. Die mühsam errungenen und zaghaften Digitalisierungs- und Modernisierungsfortschritte an den Schulen werden innerhalb kurzer Zeit wieder zunichte gemacht statt auf dem Weg der Digitalisierung Schritt für Schritt zu einer höheren Qualität zu kommen.
Das ist unverantwortlich und kann vom Landkreis Darmstadt-Dieburg als Träger der Schulen nicht akzeptiert werden, weil dieses Vorgehen sowohl den Schulen als auch den Lehrenden und Lernenden schadet. Der Landkreis ist für den Ausbau der baulichen und technischen Infrastruktur in seinem Gebiet zuständig. Bei der Unterhaltung der öffentlichen Schulen wirken das Land und die Landkreise als Rechtsträger zusammen. Die Entscheidung des HBDI, die Duldung nicht zu verlängern, impliziert deshalb u.a. auch eine zusätzliche Belastung für den Breitbandausbau im und durch den Landkreis. Es ist daher Aufgabe des Landkreises, gemeinsam mit dem Land für funktionierende digitale Unterrichtsinfrastruktur zu sorgen und gegenüber dem Land für eine sinnvolle Priorisierung der Digitalisierungsziele einzutreten. Dazu muss zweifellos gehören, dass die Duldung privatwirtschaftlicher Lösungen bis auf weiteres fortgesetzt werden muss.